Warum ESG durch die Corona-Pandemie gewinnt

Die Regulierung und die Corona-Krise rücken ESG-Investments, also Anlagen, die ethisch-soziale und ökologische Kriterien berücksichtigen, weiter in den Fokus der Anleger. 

Das neuartige Corona-Virus und die mit seiner Eindämmung verbundenen Folgen für die vernetzte Wirtschaft wirken sich im Wesentlichen negativ auf den Finanzsektor aus. Zwar sind die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bislang kaum absehbar. Die Entwicklungen an den Aktienmärkten lassen aber einen Vergleich mit der letzten Finanzkrise im Jahr 2008 zu. Auch damals standen die Märkte unter Druck und Regierungen sowie Notenbanken versuchten eine sich abzeichnende Rezession zu verhindern. Damals war die Berücksichtigung der Faktoren Umwelt, Soziales und guter Unternehmensführung (ESG) bei Investitionsentscheidungen allerdings noch kaum verbreitet.

Trotzen nachhaltige Finanzprodukte der Corona-Krise?

Die Berücksichtigung von ESG-Faktoren bei Investitionsentscheidungen scheint, insb. in Krisenzeiten, eine positive Auswirkung auf Finanzprodukte zu haben. Erste Studien von unabhängigen Analysten und Asset Managern deuten darauf hin, dass nachhaltige Finanzprodukte gegenüber anderen konventionellen Produkten bislang weniger stark von den Folgen der Corona-Krise betroffen waren. So zeigt eine im Mai 2020 veröffentlichte Studie des Analysten Scope Analysis exemplarisch, dass Asset Manager von Aktienfonds, die bei der Auswahl der Investments ESG-Aspekte berücksichtigt haben, für diese Fonds geringere Kursverluste verzeichnen mussten als konventionelle Vergleichsprodukte.

Die Studie basiert auf einer Analyse der Wertentwicklung von mehr als 2.000 in Deutschland zum Vertrieb zugelassener aktiv und passiv verwalteter Aktienfonds für das erste Quartal 2020. Der Studie ist zu entnehmen, dass nachhaltige Aktienfonds in den Regionen Global, Europa und Nordamerika im Schnitt ihren Vergleichsindex schlagen konnten. Nur nachhaltige Schwellenländer-Fonds blieben tendenziell hinter ihrer Benchmark zurück. Demgegenüber schnitten Aktienfonds ohne einen Fokus auf ESG-Faktoren mit Ausnahme global ausgerichteter Aktienfonds im Schnitt deutlich schlechter ab als ihre Benchmarks.

Der Studie zufolge war dies besonders ausgeprägt bei konventionellen Schwellenländer-Aktienfonds. Die Analysten sehen die überwiegend bessere Performance von ESG-Aktienfonds insbesondere in deren Branchenallokation begründet. So sind die von der Corona-Krise stark betroffenen Branchen wie bspw. der Energiesektor aufgrund des ESG-Fokus einerseits häufig untergewichtet oder ausgeschlossen. Andererseits ermöglicht es die Integration von ESG-Faktoren in Investmentprozessen das Investitionsrisiko zu verringern. Die Berücksichtigung dieser Faktoren dient den Asset Managern somit als Risikofilter und ermöglicht es ihnen, systematisch Zielunternehmen zu identifizieren, die auch in Krisenzeiten potentiell zukunftsfähige Geschäftsmodelle haben.

Regulierung soll private Mittel in nachhaltige Investitionen umlenken

Für Investoren ist es gegenwärtig allerdings sehr aufwändig, Finanzprodukte zu identifizieren, welche eingesammelten Mittel ESG-konform investieren. Der europäische Gesetzgeber versucht diesem Problem mit der Offenlegungs-Verordnung zu begegnen. Ziel ist es, Informationsasymmetrien zu Lasten der Investoren im Bereich der ESG-Investments abzubauen, um privates Kapital in nachhaltige Investments umzulenken. Dadurch werden zukünftig Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater verpflichtet, Investoren ESG-bezogene Informationen über unterschiedliche Medien zur Verfügung zu stellen.

Offenlegungspflichten schaffen Klarheit für Investoren

Der Kreis der zur Offenlegung verpflichteten Unternehmen ist im Sinne der Investoren denkbar weitgefasst. So sind als Finanzmarktteilnehmer bspw. Portfolioverwalter und Kapitalverwaltungsgesellschaften von den neuen (produktbezogenen) Offenlegungspflichten ab dem 10.3.2021 betroffen. Außerdem müssen Unternehmen, welche beim Vertrieb von Finanzprodukten Anlageberatung oder Versicherungsberatung erbringen, als Finanzberater Offenlegungspflichten beachten.

Die Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater müssen Investoren in vorvertraglichen Informationen erläutern, wie sie ESG-Risiken bei ihren Investitionsentscheidungen oder bei ihrer Anlage- oder Versicherungsberatung einbeziehen werden. Darüber hinaus müssen die betroffenen Unternehmen erläutern, wie die Rendite ihrer Finanzprodukte durch ESG-Risiken beeinflusst werden könnte. Sollten diese Unternehmen ESG-Risiken als nicht relevant erachten, sind sie jeweils verpflichtet, ihre Einschätzung zu begründen.

Der Umfang der offenzulegenden Informationen erweitert sich für Finanzmarktteilnehmer erheblich, wenn sie mit einem Finanzprodukt ökologische und/oder soziale Merkmale bewerben. Bei den sog. Art. 8-Produkten müssen die Finanzmarktteilnehmer in den vorvertraglichen Informationen darstellen, wie die beworbenen Merkmale umgesetzt werden sollen. Gleiches gilt, wenn Finanzmarktteilnehmer mit einem Finanzprodukt eine nachhaltige Investition oder die Reduzierung der Emission von CO2 anstreben. Die Finanzmarktteilnehmer müssen bei den sog. Art. 9-Produkten darlegen, wie das Impact Investing erreicht werden soll.

Diese Informationen werden durch ergänzende Erläuterungen auf Webseiten der betroffenen Unternehmen und in den regelmäßigen Berichten flankiert. Die Pflichten werden durch Level-2-Maßnahmen konkretisiert. Die europäischen Aufsichtsbehörden haben hierzu am 23.4.2020 ein Konsultationspapier mit sehr detaillierte Vorgaben an Inhalt, Methodik und Darstellung der Offenlegungspflichten veröffentlicht.

Ergänzt werden die Offenlegungspflichten für ESG-Finanzprodukte durch weitere Pflichten aus der Taxonomie-Verordnung. Die Taxonomie-Verordnung ist zwar in finaler Fassung bereits verfügbar aber derzeit noch nicht offiziell veröffentlicht. Danach sind die Finanzmarktteilnehmer verpflichtet, für ESG-Produkte Informationen über Umweltziele in den vorvertraglichen Informationen und den regelmäßigen Berichten zu veröffentlichen, zu deren Erreichung die zugrundeliegenden Investitionen dienen sollen.

Zudem müssen die betroffenen Unternehmen darstellen, wie und in welchem Umfang die den Finanzprodukten zugrunde liegenden Investitionen in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten im Sinne der Taxonomie-Verordnung investiert sind. Sollte es sich bei einem Finanzprodukt nicht um ein Art. 8- oder Art. 9-Produkt nach der Offenlegungs-Verordnung handeln, ist dies durch den Finanzmarktteilnehmer nach den Vorgaben der Taxonomie-Verordnung in den vorvertraglichen Informationen und den regelmäßigen Berichten des Finanzprodukts kenntlich zu machen.

Ausblick

Die Bedeutung nachhaltiger Investments wird wohl nicht nur aufgrund der bisherigen positiven Performance betroffener Produkte in der Corona-Krise in Zukunft weiter zunehmen. Einen wesentlichen Betrag zu dieser Entwicklung werden wohl auch die europäischen Regulierungsbestrebungen leisten, die es potenziellen Investoren ermöglichen, sich umfassend und vergleichbar über nachhaltige Produkte zu informieren. Offen bleibt – zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt – die Frage, ob die bisherige Performance der ESG-Produkte auch in der Zukunft am Markt bestätigt wird. Zumindest lassen sich aufgrund der Bereitstellung von ESG-Informationen unternehmerische Risiken der Investments durch Investoren künftig besser einschätzen.

Die Autoren Dr. Harald Glander und Daniel Lühmann sind Rechtsanwälte in der Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons.

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geschrieben von Frank Milewski am 28. Mai 2020

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